KI und die Medienbranche: Die zwei neuen ungeschriebenen Spielregeln

Die zwei neuen ungeschriebenen Regeln für Medienschaffende und ihren Umgang mit KI

Midjourney Prompt: a face of a human model but half of it is a robot face, two face style, shot on hasselblad

KI-Generierte Models: Ein Kontroverser Trend

Das Modelabel Mango hat es kürzlich getan und es hat für kontroverse Diskussionen in der Mode- und Medienwelt gesorgt: Für die Werbekampagne für ihre neue Teenager Kollektion haben sie komplett auf Modells verzichtet und die Bilder von Models in ihren Kleidungsstücken komplett mit KI generiert. 
Auch ich hatte bereits vor einem Jahr mit KI generierten Models für eine Kampagne der Schmuckkollektion Kantenliebe experimentiert. Ich hatte damals mit den ersten Bildern und stolz geschwellter Brust einen LinkeIn Post über den technischen Workflow gemacht und war nach einigen Tagen verblüfft über die ausbleibenden Reaktionen geschweige denn Wertschätzung meines Beitrags durch mein Netzwerk.

Das Image Problem von KI-Produktionen 

Ich habe seitdem viel gelernt. Sowohl über den Umgang mit KI als Werkzeug in meinem Alltag das 3D Artist als auch über die Kommunikation über das Thema KI selbst und bin hier zu einer ernüchternden Erkenntnis gekommen:

Es ist  schwierig, sei es als Artist oder Brand mit KI generierten Inhalten zu “flexen” (sprich anzugeben bzw. sich damit zu schmücken).

Die neuen Regeln des Spiels

Es wirkt ein wenig in unserer Branche, als gäbe es neue Regeln wie im Film “Fight Club”:

Regel Nr. 1: Benutze KI!
Regel Nr. 2: Gib mit deinen KI Skills nicht an!

Zu Regel Nr.1: Benutze KI!

Vor kurzem ging ein Zitat viral, das lautete etwa: “KI wird dich nicht arbeitslos machen, aber andere Artists, die KI verwenden, werden dich arbeitslos machen”. Dem stimme ich zu, gerade wenn wir über einen Zeitraum von 5-10 Jahren und über die klassischen “bild generierenden Berufe” von Fotograf über Grafiker, Illustrator, Designer (in allen Ausprägungen) bis hin eben auch zu VFX- und 3D Artists (und den jeweiligen Spezialisierungen) sprechen.

Angesichts der oben beschriebenen rasanten Entwicklung der Technologie wäre es aktuell absolut blauäugig und naiv für eigentlich jeden der oben genannten Beruf sowie im Prinzip für alle Medienschaffenden sich nicht mit KI Tools in ihrem Bereich auseinanderzusetzen.

Leuchtet ein. Auf KI zu setzen ist das Gebot der Stunde. Auf KI zu verzichten ist eine unsichere Wette.

Zu Regel Nr. 2: Gib mit deinen KI Skills nicht an!

Hier wirds nun spannend, aber im Prinzip ist diese Regel absolut nachvollziehbar und im Grunde zutiefst menschlich.

KI ist nicht nur einfach ein neues Tool im Werkzeugkasten. Sie ist eine disruptive Kraft, vergleichbar mit der Industriellen Revolution vor über 100 Jahren, die gesamte traditionelle Berufszweige vaporisierende Maschinen wie den automatischen Webstuhl, hervor gebracht hat. Es geht mit KI gerade erst los. Ich denke, im Lauf der bereits erwähnten Zeithorizonte von 2, 5 oder 10 Jahren wird sich das noch viel klarer zeigen.

They hate the players because they loose the game.

Es wird Gewinner und Verlierer dieser Disruption geben und wer sich heute exponiert als Beherrscher dieser neuen Schöpfungskraft wirft implizit einen Schatten auf all jene, die sich entweder noch gar nicht mit KI beschäftigt haben oder sie bisher noch nicht sinnvoll für ihren Fachbereich einzusetzen wussten. Zudem und das ist wohl der emotional kritischste Aspekt wird vielen Aussenstehenden bei so beeindruckenden KI Produktionen wie der Brand Mango oder auch auch bereits bei kleineren Projekten wie bei meinen KI-Schmuck-Models schmerzlich bewusst: “Wenn das hier so weitergeht, werde ich bald nicht mehr gebraucht.”

Im Fall von Mango, wie auch bei mir, wurden keine Modelle über eine Agentur gecastet und es wurde kein Fotograf gebucht. Es wurde kein Shooting veranstaltet, kein Set hergerichtet und kein Catering bestellt. Im Fall von Mango gab es wohl noch einen Art Direktor und (mindestens) eine Person, die die finalen Motive retuschiert hat. In meinem Fall gab es nicht einmal das.

Ich kann es daher nur verstehen, wenn Menschen im Internet solche Produktionen nicht abfeiern. Mango hat einen regelrechten Shitstorm abbekommen, mein Beitrag wurde eher strikt ignoriert.

KI kommt und es schmerzt das zugeben zu müssen. 

Wenn jemand versucht bei etwas nicht hin zu schauen, ist  es störend wenn jemand anderes herum läuft und genau das vermeintlich ausgeblendete herzeigt bzw. ins Scheinwerfer Licht rückt. 
Wie dem auch sei: KI kommt aber das Label “made by AI” evoziert nachvollziehbarerweise  gerade unter den Mitgliedern der Medienbranche aber auch darüber hinaus vielfach negative Emotionen. Was kompetente Marken und Artists einfach vermehrt tun werden, ist eben das Befolgen von Regel Nr.2. Sie werden mit ihren KI Skills weniger angegeben und im Zweifel auch gerne auf die Kennzeichnung KI generierter Inhalte verzichten. Auf Nachfrage bzw. als Kunde wird man es dann schon erfahren, aber öffentlich bzw. auf Social Media und spezifisch LinkedIn mit KI Skills zu prahlen, ist – zumindest in diesen Spätsommer-Tagen des Jahres 2024 – ein bisschen so, als würde man Ende des 19. Jahrhunderts durch ein Dorf laufen, das noch von Nähen per Handarbeit lebt und schreien:

“Hey Leute ich hab mir endlich so einen automatischen Webstuhl zugelegt und der funktioniert echt richtig richtig gut!”.

Warum ich vorerst noch auf KI generierte Models verzichte.

Ich selbst habe mein Projekt mit KI generierten Modells für diese Schmuckkollektion aus zwei Gründen nicht weiter verfolgt. Der erste war ein wenig naiv und hält genauerer Betrachtung nicht stand, der zweite Grund waren simply hard facts und damit war das Thema zumindest vorerst vom Tisch:

Der erste Grund war ein mantrahafter Spruch, der mir zur betreffenden Zeit nicht aus dem Kopf ging. In etwa: “KI ist fake, dieser Schmuck und die Brand Kantenliebe ist echt und authentisch daher müssen auch unsere Modells echt sein.”

Das ist aber ziemlicher Quatsch.

Am Ende braucht es auch hier schlicht und ergreifend für Werbekampagnen werbliche Bilder und niemand, der bezirzt von der Schönheit des Produkts und des Modells in einer Werbeanzeige impulsiv und spontan eine Kaufentscheidung fällt, fragt am Ende ob das betreffende Motiv nun durch einen aufreibenden “Produktionstango” von Art-Director, Kunde, Modell, Fotograf und stundenlanger Retusche und Postproduktion entstanden ist oder durch einen Prompt an eine KI, die das Wissen all dieser Gewerke innerhalb von Sekunden in einem perfekten Bild synthetisiert hat.

Der ausschlaggebende Grund war folgender: Die KI Midjourney kann aktuell noch keine akkurate bayerische Tracht. Eine ausführliche Betrachtung dazu und zu meinem hybriden Workflow mit KI-Models findet ihr hier

Fazit: KI will change our game.

Am Ende noch eine allgemeine Einordnung des Themas meinerseits.
Wir befinden uns wohl oder übel dank KI und ihrer exponentiellen Entwicklung in einer Zeit radikaler Transformationsprozesse.
Ich denke, das wird in der Medienbranche und in vielen anderen Berufen noch wenig realisiert und es ist auch schlecht “realisierbar”, denn niemand weiß genau, wie sich unser Arbeitsalltag Dank KI entwickeln wird. Wird KI die Stewardess im Cockpit des Artists wird sie der Copilot oder übernimmt sie die Kontrolle über den ganzen Flieger und die Fluggesellschaft noch dazu? Nobody knows.
Ray Dalio, Gründer von Bridgewater Associates und bekannter Hedgefonds-Manager, hat in seinem Buch “Principles: Life and Work” folgendes gesagt:

“Truth—or, more precisely, an accurate understanding of reality—is the essential foundation for any good outcome.”

So let’s be honest.

Ich denke, wir müssen der Realität ins Auge blicken und akzeptieren, dass sich im Kontext unserer freien Marktwirtschaft die Arbeitswelt aufgrund von KI mittel- bis längerfristig stark verändern wird.
Vor einigen Jahren verlor ich einen Kunden für den ich über mehrere Jahre 3D Modelle als Freelancer gebaut hatte mit der einfachen Begründung seinerseits: “Tut mir leid Lorenz, wir haben wen in Osteuropa gefunden, der macht den Job für ein Viertel deines Preises.”
Und genau das wird wohl auch die KI in Kürze leisten: Sie wird viele unserer Jobs erledigen und das für einen Bruchteil des Preises, den wir heute als Freelancer für eine kreative Dienstleistung noch aufrufen können.

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